Hilfe, mein Arbeitnehmer ist krank - wann muss ich zahlen?
Die Lohnfortzahlung bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von 6 Wochen ist eine der wichtigsten sozialen Leistungen, die Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zu erbringen haben. Gesetzliche Grundlage ist das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) von 1994. Dieses Gesetz hat die früher geltenden unterschiedlichen Regelungen für Lohnempfänger (Arbeiter) und Gehaltsempfänger (Angestellte) abgelöst.
Wichtig: Die Bestimmungen des EFZG greifen erst, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens 4 Wochen ununterbrochen bestanden hat.
Wann entsteht ein Anspruch?
Der Anspruch entsteht, sobald die Wartezeit von 4 Wochen um und die Krankheit nicht selbst verschuldet ist. Bei der Frage nach dem Verschulden der Arbeitsunfähigkeit gelten sämtliche Krankheiten sowie notwendige Operationen und sogar Selbstmordversuche (da diese als Ausdruck psychischer Krankheit bewertet werden) als legitime Gründe für eine Krankmeldung. Auch Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation i.S. des § 9 EFZG (Kuren) zählen dazu.
Bei Operationen wird unterschieden: bei Schwangerschaftsabbrüchen und Sterilisation liegt Arbeitsunfähigkeit vor - bei kosmetischen Eingriffen ohne krankheitsbedingten Hintergrund dagegen nicht. Ebenfalls selbst verschuldet ist ein Arbeitsausfall, wenn der Arbeitnehmer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss in einen Unfall verwickelt war.
Wichtig für Arbeitgeber ist § 3 Absatz 1 EFZG, der die wirtschaftliche Belastung des Betriebes begrenzen soll. Das bedeutet:
- Einzelne Arbeitsunfähigkeiten können auf verschiedenen Erkrankungen beruhen. Hier besteht für jede einzelne Arbeitsunfähigkeit ein Entgeltfortzahlungsanspruch bis zur Dauer von maximal 6 Wochen.
- Aber: Die einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten können auch auf derselben Krankheit be-ruhen. Hier besteht dann nur ein Anspruch von insgesamt 6 Wochen.
Bei der zweiten Variante gilt es zwei wichtige Ausnahmen zu prüfen, denn u. U. besteht doch ein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EFZG). Das ist der Fall, wenn
- Ihr Mitarbeiter vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens 6 Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war (= Wiederholungserkrankung) oder
- seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit 12 Monate ver-gangen sind (= Fortsetzungserkrankung).
Wer hat Anspruch?
Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben alle Arbeitnehmer einschließlich Auszubildende. Es spielt auch keine Rolle, ob das Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig ist oder nicht. Auch geringfügig und befristet Beschäftigte haben einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei kurzfristigen Beschäftigungen endet der Anspruch mit dem letzten Beschäftigungstag.
Wie berechnet sich der Anspruch?
Während der Entgeltfortzahlung soll der Arbeitnehmer das Entgelt erhalten, das er ohne die Arbeitsunfähigkeit auch erhalten hätte. Daher wirken sich Veränderungen des Entgelts (zum Beispiel eine Tariferhöhung während der Krankheit auch auf die Höhe der Entgeltfortzahlung aus.
Als Arbeitgeber zahlen Sie das vereinbarte Bruttoarbeitsentgelt weiter. Hierzu gehören auch Sachbezüge. Können diese nicht in Anspruch genommen werden (zum Beispiel Verpflegung), so ist der Gegenwert auszuzahlen.
Sonntags-, Feiertags- oder Nachtzuschläge sind zu berücksichtigen, wenn sie bei Arbeitsfähigkeit auch angefallen wären.
Überstundenvergütungen – zuschläge werden dagegen ebenso wenig berücksichtigt wie Einmalzahlungen (Urlaubs- oder Weihnachtsgeld). Diese Vergütungsbestandteile gehören nicht zur Entgeltfortzahlung.
Nicht fortgezahlt werden auch Beträge, die als Auslagenersatz gezahlt werden (zum Beispiel Kilometergeld). Leisten Sie solche Zahlungen allerdings pauschal, ohne dass es auf die tatsächliche Höhe des Aufwands ankommt (zum Beispiel Verpflegungskostenpauschale), so sind diese weiter zu zahlen.
Bei Akkord- oder Stücklohn ist das Entgelt weiterzuzahlen, das ohne die Arbeitsunfähigkeit erzielt worden wäre. Der Einfachheit halber können hier in der Vergangenheit erzielte Entgelte für die Berechnung herangezogen werden.
Ihr Mitarbeiter erkrankt im Ausland
In diesem Fall hat der Arbeitnehmer besondere Pflichten. Er muss Ihnen mitteilen
- wo er sich aufhält,
- dass er arbeitsunfähig ist,
- wie lange er voraussichtlich arbeitsunfähig sein wird.
Zusätzlich muss er
- eine ärztliche Bescheinigung vorlegen,
- ggf. eine Folgebescheinigung zusenden,
- die Rückkehr ins Inland anzeigen.
Krankheit während des Urlaubs oder Freizeitausgleichs
Erkrankt der Arbeitnehmer während seiner Freizeit, so entstehen dadurch keine zusätzlichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber. Das gilt auch, wenn die Freizeit als Ausgleich für zuvor geleistete Mehrarbeit gewährt worden ist; diese muss also nicht nachgewährt werden.
Erkrankt Ihr Mitarbeiter während seines Erholungsurlaubs, sieht hier das Bundesurlaubsgesetz (BurlG) ausdrücklich eine andere Regelung vor. Nach § 9 BurlG werden Krankheitstage, für die eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden kann, nicht auf den Urlaub angerechnet. Diese Tage sind zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu gewähren und verfallen nicht.
Damit nun langzeiterkrankte Arbeitnehmer nicht endlos Urlaubsansprüche ansammeln können, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgelegt, dass durch lange Krankheit bedingte Ansprüche 15 Monate nach dem Urlaubsjahr verfallen (Urteil vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10). Übertragen wird in solchen Fällen auch nur der gesetzliche Mindesturlaub.
Krankheit während der ersten 4 Wochen der Beschäftigung
Ein neu eingestellter Arbeitnehmer hat in den ersten vier Wochen der Beschäftigung keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach EFZG durch den Arbeitgeber. Stattdessen hat er einen Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Krankenkasse.
Ist der Arbeitnehmer auch nach der vierten Beschäftigungswoche weiter arbeitsunfähig, zahlt der Arbeitgeber vom Beginn der fünften Woche an das Entgelt für bis zu sechs Wochen fort. Die Wartezeit verkürzt also den Fortzahlungsanspruch nicht.
Was passiert nach Ablauf der Entgeltfortzahlungspflicht?
Wenn ein Versicherter infolge einer länger als sechs Wochen andauernden arbeitsunfähig ist, zahlt seine gesetzliche Krankenversicherung Krankengeld als Entgeltersatzleistung in Höhe von 70 % des Bruttoverdienstes, höchstens jedoch 90% des letzten Nettoarbeitsentgelts.
Krankengeld wird grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung geleistet, wegen derselben Krankheit jedoch längstens für 78 Wochen innerhalb einer Blockfrist von 3 Jahren.
Checkliste zur Entgeltfortzahlung
Zu prüfen | ja | nein |
Besteht das Arbeitsverhältnis mit Ihrem Mitarbeiter länger als 4 Wochen? | Entgeltfortzahlung | Keine Entgeltfortzahlung |
Liegt eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor? | Entgeltfortzahlung | Entgeltfortzahlung kann so lange verweigert werden, bis Sie Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit erhalten |
Liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor? | Entgeltfortzahlung | Entgeltfortzahlung kann so lange verweigert werden, bis die AU-Bescheinigung vorgelegt wird |
Liegt eine selbst verschuldete Arbeitsunfähigkeit vor? | Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung | Entgeltfortzahlung |
Liegt eine wiederholte Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit vor? | Prüfen Sie den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Arbeitsunfähigkeiten. Liegt dieser unter 6 Monaten, rechnen Sie die Zeit zusammen. Werden die 6 Wochen der maximalen Fortzahlungsdauer erreicht? | Entgeltfortzahlung |
Hat Ihr Mitarbeiter gegen seine Anzeigepflichten bei Auslandserkrankung verstoßen? | Entgeltfortzahlung kann vorläufig verweigert werden | Entgeltfortzahlung |
Ist Ihr Mitarbeiter seiner Unterrichtungspflicht bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (Kuren) nachgekommen? | Bescheinigung eines Arztes oder des Maßnahmeträgers vorlegen lassen | Entgeltfortzahlung kann vorläufig verweigert werden |
Quelle: BWR med!a
Autor: Anke Fröhlich
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